Valerij Kuklin

 

 

Sophia, die Mutter der Angélique

 

Historischer Abenteuerroman in 12 Büchern

 

 

 

Erstes Buch

 

Die Mysterien des Schlosses Alamanti

 

 

Erstes Kapitel

 

in welchem das Bauernmädchen Sophia vor dem Tod errettet wird, zum ersten Mal im Leben einen schrecklichen Feind bezwingt und ein hilfloses Wesen rettet.

 

 

1

 

Man schreibt das Jahr 1601 nach Christi Geburt. Ich wollte ein goldenes Nachtgeschirr  besitzen. Gut hundertfünfzig spanische Dublonen hat mich das gekostet, und der Ziseleur hat noch einmal fünfzig draufgeschlagen, die Arbeit nicht eingerechnet. Dafür ist es aber auch ein wahres Schmuckstück geworden: Sechzehn Faune umwerben erfolglos sechzehn Nymphen, und nur der siebzehnte, der sein Gesicht in einen Schoß geschmiegt hat, der schön ist wie das Mondlicht selbst, erhält Zutritt zu jener kleinen gekräuselten Insel, die zwischen dem rechten Backenknochen und dem Hals des Fauns nur angedeutet ist.

Ich gab Anweisung, in den Thron des Grafen ein Loch zu schneiden und das Geschirr dort hineinzulassen. Und damit die Klatschbasen unserer Gemeinde sich noch mehr Lästerliches ausdachten und ihre Zeit damit vergeudeten, über meine Kapricen zu fabulieren, stellte ich noch zwei bärbeißige Riesen neben den Thron des Grafen und wies sie an, das Nachtgeschirr zu bewachen, als sei es der Thron des Königs von Frankreich persönlich.

Doch auf einmal war mein Körper mit Pusteln übersät und begann zu jucken. Ich musste die Zofen heißen, mir geheime Löcher in mein Kleid zu schneiden, damit ich mich in der Öffentlichkeit mit den Fingernägeln kratzen konnte. Doch derartige Verrichtungen bannen, wie ich bemerken musste, die Aufmerksamkeit der Gesprächspartner. Daher entschloss ich mich, anstelle der Fingernägel ein eigens dafür gedachtes Kratzhändchen zu benutzen. Genauer gesagt, riet mir mein Leibarzt, sie anfertigen zu lassen, ein Maure, den ich einst einem kastilischen Grande abgekauft hatte, und der mich seitdem mehr als einmal in schweren Stunden beigestanden hatte. Der Alte war ein überaus geschickter Intrigant, ein Lügner und Scharlatan wie alle Vertreter seines übelriechenden Gewerbes. Es gefällt mir, seine dummen Ratschläge mit der Kraft meines Geistes und mit Hilfe meines Reichtums abzuändern.

Nehmen wir nur einmal das erwähnte Kratzhändchen. Diese Idee wurde geboren, als ich dem Mauren erzählte, wie ich mich während einer Unterredung mit dem Marquis d’Ébrouilly mit der Hand am Hals kratzte und mich aufgekratzt hatte bis aufs Blut. Der Doktor schlug mir als Arznei vor, mir entweder die Fingernägel zu schneiden oder ein Kratzhändchen anzuschaffen.

Gesagt – getan. Eine Woche später lag auf einem Samtkissen ein Kratzhändchen aus feinstem Elfenbein vor mir, wobei das Feuer der in den Stiel eingearbeiteten Halbedelsteine funkelte und das kalte Licht des Brillanten am Ende des Griffes leuchtete.

Hätte mir der Herrgott auch nur den zehnten Teil dessen, was allein dieser Brillant gekostet hat, vor vierzig Jahren zuteil werden lassen, hätte ich dann wohl den Kummer und Gram meiner unzähligen Abenteuer erfahren, hätte ich, ohne ein fremdes Wort, einen Blick fürchten zu müssen, die Zuneigung und Zärtlichkeit unzähliger furchtloser Kavaliere und heißblütiger Jünglinge erfahren, die Tag und Nacht ihr Blut für mich vergossen haben, die den Staub der Straßen geschluckt haben und die Segel des Geschickes auf Piratenschiffen hissten und sich dann bis zu ihrem Tod die Hände auf den Galeeren des Königs blutig ruderten? Denn mein Leben gleicht in nichts dem armseligen Dasein, das die Grafen und Barone fristen, von denen ich umgeben bin und die nur von meiner Gunst leben, denen jedoch weder ein Lächeln noch Liebe geschenkt wird.

Dabei hat es eine Zeit gegeben... Ja, es hat eine Zeit gegeben, da Männer, die es, auf sich allein gestellt, mit ganzen Legionen aufnahmen, durch einen einzigen Hauch von mir weiche Knie bekamen. Und ihre Augen erst! In ihren Augen loderte ein unbezähmbares Feuer, wie ich es zum ersten Mal nicht einmal bei einem Menschen gesehen hatte, sondern in den Augen einer hungrigen Wölfin, die ihr Lager bewachte...

 

 

2

 

Es war schon so lange her, dass selbst ein Gespräch über die Kamisole, die zu jener Zeit die edlen Signores zu tragen pflegten, wie ein Märchen geklungen hätte. Die Schönheit der Männer wurde nicht an ihren wohlgenährten und schlaftrunkenen Visagen gemessen, die so über und über von Haaren bedeckt waren, dass nur Augen und Nase zu sehen waren, sondern daran, wie schlank ihre in teure Strümpfe gehüllten Beine waren und an der Größe ihrer Hosenklappe. Und die Gespräche der Damen drehten sich um diese und ähnliche Themen. Ach ja, die guten alten Zeiten des Herzogs Alejandro von Savoyen, der still und friedlich über uns herrschte sein ganzes Leben lang, das langweilig war wie ungesäuertes Fladenbrot...

Ich war etwa zwölf Jahre alt, als ich förmlich aus unserer dörflichen Lethargie erwachte und mich fast von einem Tag zum anderen über alle Menschen in meiner Umgebung erhob. Das war so etwa anno domini 1559 oder 1560.

Meine Mutter, die bei unserem Herrn, dem Grafen Alamanti, in Ungnade gefallen war, als sie mich noch unter dem Herzen trug,  als ich also noch nicht einmal auf der Welt war, war in das abgelegene Dorf Gamborre verbannt worden, das sich im tiefsten Waldesdickicht der Besitztümer des Grafen befand, die zu seinem Lehen gehörten. Dort wuchs ich auf...

Bis zu dem Tag, an dem der Majordomus des Grafen zu meiner Mutter kam und forderte, dass ich ins Schloss kommen sollte.

„Warum?“, fragte meine Mutter erschrocken.

„Um dem Signore zu dienen.“

Das war eine große Ehre, doch meine Mutter fing an zu weinen.

„Weine nicht, Ilona“, sagte der alte Majordomus. „Der Graf rührt keine jungen Dinger an. Es bevorzugt Weiber mit Erfahrung. Die müssen nicht einmal vornehm sein, wenn sie nur geschickt sind. Er lebt jetzt mit Lucia zusammen...“ Er zwinkert ihr zu. „Du weißt schon... Deine kleine Sophia wird sich um das Vieh und das Geflügel kümmern, ständig im Dreck wühlen. Ich werd sie zu den Schweinen stecken, dann wird nicht einmal ein einfacher Bauer unter ihren Rockschoß kriechen wollen, geschweige denn der Graf. Ich gebe dir mein Wort.“

Wir machten uns in der Nacht auf den Weg und verließen das Dorf durch den Wald. Doch ich fürchtete mich weder vor den Trollen, die dort lebten, noch vor den Goblins oder den anderen bösartigen Wesen, die in der Umgebung unseres Dorfes zu finden waren. Ich liebte diesen Wald, war in seiner Nähe aufgewachsen und kannte alle Pfade, die in unser Dorf führten. Ich erinnere mich, dass ich den ganzen Weg über den Majordomus wegen seiner Angst ausgelacht habe, denn er schaute sich beim leisesten Rascheln um und erbebte jedes Mal.

Einmal trat ich absichtlich auf einen trockenen Zweig, und er knirschte so laut wie ein Schuss aus einer Muskete. Der alte Majordomus fiel mit dem Gesicht ins Gras, hielt die Hände schützend über seine Glatze und begann, den Herrgott anzuflehen, uns zu retten und vor den bösen Mächten zu bewahren.

Ich aber schaute auf seinen fetten Hintern, der selbst im Licht der Sterne glänzte, und konnte kaum das Lachen zurückhalten, das fast aus mir herausgebrochen wäre. Aus irgendeinem Grunde habe ich mir damals überlegte, dass ich, wenn ich einmal eine Tochter bekommen würde, sie Angélique nennen würde – und sie würde mutiger werden als diese dickwanstigen Wesen, die halb Mensch, halb Schwein waren und behaupteten, sie würden mich vor dem Grafen retten. Glücklicher würde sie natürlich auch sein...

Mein Gott... So viele Jahre sind vergangen, und ich erinnere mich dieses Schwurs, den ich damals geleistet habe. Eine Tochter habe ich jedoch nicht bekommen, nur Söhne wurden mir geschenkt. Das Schicksal hat es wohl so gewollt...

Der Majordomus hat mir mein Lachen sehr übelgenommen und mir deshalb, kaum dass wir im Schloss angekommen waren, befohlen, die Schweine auf die Wiese zu treiben. Zu essen gab er mir nichts, er drückte mir nur ein Stück dunkles Gerstenbrot in die Hand und sagte:

„Hier hast du Brot für den ganzen Tag. Lass dich nicht verleiten, alles mit einem Mal aufzuessen. Iss immer nur ein wenig, damit es bis zum Abend reicht.“

Damit machte ich mich an der Spitze meiner schwarz-weiß gefleckten und rosaroten Gesellschaft grunzender und quiekender Hackbraten und Schnitzel auf zu der Wiese am Fuße der Mauern des hohen grauen Schlosses. Mir stand ein ganzer Tag an einem Wasserlauf bevor, in dem die Schweine nicht badeten, denn er war tief, und das abgestandene Wasser roch unangenehm. Dafür war das Gras gut, genau das richtige Viehfutter, und es gab viele Kuhlen an alten Baumstümpfen, an denen sie sich schubbern, fette weiße Maikäferlarven suchen und grunzen konnten...

Auf den Mann meiner Mutter – er hieß Silvio, und ich musste „Vater“ zu ihm sagen –werde ich hier nicht eingehen. Ein Jahr zuvor war er mit Getreide in die Stadt gefahren, hatte sich aber im Suff für das Heer des Herzogs anheuern lassen, der gerade Parma, Genua oder gar Frankreich selbst erobern wollte, aber nie einen Krieg erklärt hatte. Silvio hatte meiner Mutter als Abfindung etwas Kupfergeld geschickt und noch einen großen Silbertaler dazu gelegt – für den Leichenschmaus, falls er im Krieg umkommen sollte. Dem Grafen befahl er auszurichten, dass er lange genug sein Kind durchgefüttert habe und dass sich der Signore nun selbst um sein Balg, also um mich, kümmern sollte.

Es stimmte, ich war nicht Silvios leibliche Tochter... Am Tag, an dem Silvio meine Mutter heiratete, war der Graf betrunken gewesen und war, so wie er war, mit seiner ganzen Hundemeute in unsere Dorfkirche eingefallen. Er hatte gefordert, die Hunde zu füttern und ihm Wein zu geben, und zwar sofort und keinen anderen als Burgunder. Gotteslästerungen ausstoßend und die Taten des Antichristen ausmalend, drang er zum Chorpult vor und bestand, als er der Braut ansichtig wurde, auf seinem Recht der ersten Nacht, einem Brauch, der in unserer Gegend schon lange vergessen war und nur noch in üblen Scherzen Beachtung fand. Der Bräutigam, der empört war und laut seine Rechte erklärte, die ihm vor langer Zeit von einem der Vorfahren des Signores geschenkt worden waren, wurde von der Hundemeute windelweich geprügelt, und die Braut warfen sie wie einen Sack Getreide über die Kruppe eines Pferdes und brachten sie im Trab ins Schloss.

Dort verbrachte meine Mutter einige Wochen, aalte sich nach Herzenslust in weichen Betten unter Baldachinen, trank köstliche Weine und aß exotische Früchte. Später schickte sie der Graf zurück ins Dorf – mit dem Samen des Signores im Leib und zwei unter die Bluse gesteckten Dukaten als Entschädigung für die Schmach für den frischgebackenen Ehemann, der inzwischen nach der Prügelei wieder zu sich gekommen war.

Kurz gesagt, kam es so, dass im dreizehnten Jahr nach meiner Geburt Silvio, der Mann meiner Mutter, auszog, um sein Blut für den Herzog zu vergießen. (Das war damals Emilio der Prächtige, der Vater Alejandros, jener, der eines Tages vom Pferd gefallen war und sich das linke Bein gebrochen hatte. Deshalb hinkten bis zu seinem Lebensende alle Höflinge und Ritter des Savoyens auf dem linken Bein, und die Städter machten sich bei ihrem Anblick lustig über diese humpelnde, aufgetakelte Horde.) Meine Mutter blieb für den Rest ihrer Tage im Dorf, und ich hütete Schweine auf der smaragdgrünen Wiese gegenüber den erhabenen Mauern des Familiensitzes meines leiblichen Vaters. Meine Aufgabe war es, dafür zu sorgen, dass die gefräßigen Geschöpfe nur dort mit ihren Rüsseln wühlten, wo es ihnen gestattet war, dass sie also nicht die Brücke über den Graben überquerten und den Hafer abästen, der als schmaler Streifen zwischen dem Wald und dem schmutzigen stinkenden Wasserlauf gesät worden war, in dem ständig die Abfälle aus dem Schloss schwammen und in den immer wieder von der Traufe irgendwelcher Unrat fiel.

„He!“, hörte ich es auf einmal von oben rufen. Ich hob den Kopf, konnte aber nichts entdecken.

„He, ich rede mit dir!“, wiederholte die Stimme und lachte klangvoll und fröhlich wie das Zwitschern einer Schwalbe nach dem Regen.

„Wie heißt du?“ Bei diesen Worten landete ein Klümpchen Dreck direkt auf meinem Kopf. „Antworte! Sonst bewerfe ich dich mit Mist!“

Da sah ich in der Lücke zwischen den Turmspitzen, direkt unter dem Strohdach einen Jungen, der etwas Schweres über dem linken Arm trug.

„Dummkopf!“, stieß ich das gewichtigste meiner weiblichen Argumente hervor, und konnte mich gerade noch vor dem großen Brocken duftendem, schwarzen Mist in Sicherheit bringen, der von einer Hand auf mich geschleudert wurde, die zu stark und zu sicher für den Jungen war, für den ich meinen Gegner auf diese Entfernung hielt.

„Aha, dann bist du also eine dumme Gans!“, rief er aus. „Sehr erfreut, dich kennen zu lernen! Und nun tanze!“ Er holte wieder aus. „Was hab ich dir gesagt? Tanzen sollst du!“

„Du bist der Dummkopf!“, fuhr ich ihn an, weil ich wusste, dass ich auf keinen Fall ins Fettnäpfchen treten konnte, denn legale Söhne hatte unser Signore nicht, und vor dem einfachen Volk würde mich jederzeit der Schmied Antonio in Schutz nehmen, der früher oft unser Dorf gekommen war und noch in jenen seligen Zeiten, da mir ständig die Nase lief und sich mein Körper unter dem Kleid kaum von dem eines Jungen unterschied, mein Beschützer geworden war.

Jetzt schmerzte mir nachts die Brust und wuchs, dass man fast hätte zusehen können, und die Hände von Antonio, der dieser Tage bei uns zu Gast gewesen war, erschienen mir zu heiß, und seine zärtlichen Berührungen ließen meinen aus mir unerfindlichen Gründen  sehnsuchtsvollen Körper erbeben, und in meinem Herzen regte sich ein ungekanntes Sehnen. Und, nachdem ich plötzlich erkannt hatte, dass in meiner Schwäche auch meine Stärke liegt, wich ich dem nächsten Mistklumpen nicht mehr aus, sondern gestattete ihm, mich an der Schulter zu treffen und in stinkenden Streifen von der Achsel über die Taille bis hinunter zur Hüfte mein Kleid herabzurinnen...

„Du Schwein!“, schrie ich. „Du wirfst mit deinem Essen nach mir!“, wich aber wieder nicht aus. Stolz erhobenen Hauptes stand ich auf wie die Bildsäule der Jungfrau Maria in der Kathedrale des Heiligen Antonius und erstarrte in dieser Pose.

Der nächste Klumpen traf mich an der Brust und bespritzte mein Kinn und die Wangen. Der letzte warf mich um, so dass ich auf dem Rücken zu liegen kam und der Wind meinen Rocksaum hob, der sich sofort freudig aufbauschte und sich so hob, dass meine Beine bis zu den Knien entblößt wurden.

Ein Klatschen – und der glitschige, übelriechende Dreck traf mich zwischen die Beine.

„Lauf!“, rief plötzlich der Junge. „Nun lauf doch schon! Lauf weg!“

Doch ich stand auf und antwortete, ohne nach oben zu sehen:

„Zu viel der Ehre, Herr Tunichtgut. Ich flüchte nie vom Schlachtfeld!“

Da hörte ich Gelächter. Es war ein mächtiges, schallendes Gelächter, wie unser Signore zu lachen pflegte, wenn er nach Herzenslust gegessen und sich betrunken hatte und begann, mit den vor Hunger und den köstlichen Düften närrischen Jagdhunden mit einem Knochen zu spielen. Es lachte, als hätte er in seinem Leben nichts Amüsanteres gesehen als ein vor Mist triefendes, nasses Mädchen, er lachte, als er hinter dem knorrigen Balken aus Ulmenholz hervorkam, hinter dem er sich die ganze Zeit verborgen hatte, und warf Kuhmist nach mir.

„Junge!“, rief ich da. „Ich habe mich geirrt! Der Dummkopf bist gar nicht du!“

Der Signore verschluckte sich.

Das kam so unerwartet, dass, als ich das rote Gesicht, das plötzlich so stumpfsinnig drein sah, erblickte, nun ich aus vollem Halse lachte. Es war, als wäre mein Lachen die Antwort auf sein Gelächter kurz zuvor, als wäre dies das Lachen des Siegers über den Besiegten, das Lachen des Tapferen über den Feigling.

Als der Signore anfing zu brüllen, zu fluchen und mich zu beschimpfen, lächelte ich ihn fröhlich an, blinzelte, lüftete dann meinen Rocksaum, wandte dem Schloss den Rücken zu und zeigte dem Grafen meine ganze makellose Schönheit bis zu den hellen Härchen, die erst begannen, meine Scham zu bedecken.

„Fangt sie!“, schrie er. „Haltet sie!“, und machte sich daran, aus der Wand des Turmes riesige graue Steine herauszubrechen und sie hinunter zu werfen.

Die Feldsteine flogen nicht weit, sie plumpsten in den von Schweinen aufgewühlten Dreck. Die armen Tiere erschraken so, dass sie davon stoben, zu der Brücke hin, wobei sie die ganze Umgebung mit Ohren betäubendem Quieken erfüllten und Zuschauer für den Kampf des Nachfahren ehrwürdiger Ritter mit einer einfachen Schweinemagd anlockten.

Nachdem ich den Rocksaum hatte fallen lassen, sah ich auf und streckte dem Signore die Zunge heraus. Dann stürzte ich davon, über die Brücke. Ich lief um den Wasserlauf herum, und die Schweine, die vom eigenen Lärm ganz außer sich waren, folgten mir. Ich  stürzte in das Haferfeld und ich eilte dem Wald entgegen, wobei ich die Füße hoch in die Luft warf.

Hinter mir hörte ich die Schüsse der Musketen und das Bellen der Hunde. Vor mir erstand eine Reihe ruhiger und mächtiger Bäume, wie die Helden vergangener Zeiten aus den Märchen der Großmutter Marie. Ich tauchte in ihrem Schutz unter und sah mich um.

Niemand war mir gefolgt. Einige Männer und ein ganzer Haufen Jungen waren damit beschäftigt, die Schweine einzufangen, die über das ganze Haferfeld liefen. Diese aber grunzten faul und liefen entweder davon, wobei sie sich aus irgendeinem Grunde seitwärts bewegten und aus Blut unterlaufenen Augen ihre Häscher beobachteten, oder sie plumpsten auf den Rücken und wehrten sich mit den Hinterpfoten, so dass es nicht gelang sie einzufangen und sie aus dem Feld zu schleppen.

Das Bild, das sich mir bot, war zu komisch, und ich lachte eine Weile über die Diener des Grafen. Als ich genügend gelacht und Kräfte gesammelt hatte, ging ich gleich durch den Wald, nach Hause zu meiner Mutter, wie einst das Rotkäppchen in dem alten Märchen. Nur traf ich dieses Mal nicht den Jüngling mit Schnurrbart und Degen, wie es im Märchen der Großmutter Marie hieß, sondern einen richtigen Wolf, genauer gesagt, eine Wölfin.

 

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